Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher.“  schrieb Bertolt Brecht vor 78 Jahren. Heute scheint dieses Zitat aktueller denn je zu sein. 

Als Donald J. Trump am 20. Januar 2017 zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika angelobt wurde, fingen die Kameras deutlich weniger Zuschauerinnen und Zuschauer vor Ort ein als noch bei der Amtseinführung seines Vorgängers. Am nächsten Tag veröffentlichte das Team Trump, dass wesentlich mehr Menschen der Amtseinführung des gerade ernannten Präsidenten beigewohnt hätten, als von der amerikanischen Medienlandschaft verlautbart worden war. Der Begriff Alternative Fakten war kreiert. Donald Trumps persönliche Sprecherin benutzte diesen Ausdruck als Erste. Der Terminus verbreitete sich in Windeseile im Netz und steht heute für eine Scheinrealität.

Die Menschheit ist es seit Jahrhunderten gewohnt von anderen kolportierte Nachrichten zu erfahren, anzunehmen und als wahr abzuspeichern. Doch während wir uns bisher meist auf den Grundsatz des Journalismus verlassen konnten, wonach erst die Bestätigung durch zwei voneinander unabhängigen Quellen eine qualitativ hochwertige Nachricht möglich macht, sehen wir uns inzwischen mit einer Flut ungeprüfter Meldungen konfrontiert. In Zeiten von Social Media werden nicht überprüfbare „Wirklichkeiten“ geschaffen, ob aus purer Unkenntnis von Tatsachen, oder zu politischen oder manipulativen Zwecken. Nie war es so leicht Menschenmassen durch Meinungsmache in die Irre zu führen und zu mobilisieren. Der in sozialen Netzwerken stattfindende Meinungskampf verhärtet nicht nur die Fronten, sondern schafft auch eine Illusion von vermeintlich auf Tatsachen beruhenden Ansichten. Dies betrifft nicht nur ideologische Auseinandersetzungen zwischen Politikerinnen und Politikern, sondern auch Stammtischparolen, die die sozialen Netzwerke überfluten und zu scheinbaren Fakten hochstilisiert werden. Dies hat zur Folge, dass die sogenannten „Mainstream-Medien“ in der womöglich größten Vertrauenskrise ihrer Geschichte stecken. So stellte unter anderem der Reuters Institute Digital News Report 2016 fest, dass die Menschen nicht nur immer häufiger anerkannte Medieninstitutionen durch alternative Online-Angebote ersetzen, sondern, dass auch ihr generelles Vertrauen in etablierte Medien merkbar schwindet.[1] Dies wirft die Frage auf, ob traditionelle Medienhäuser in den letzten Jahren versäumt haben auf einen Trend aufzuspringen, oder ob sich schlicht die Nachrichtenaufnahmefähigkeit in einer immer schneller werdenden Welt fundamental verändert hat. Während bis vor wenigen Jahrzehnten einzelne Medienhäuser den öffentlich-rechtlichen Informationsauftrag zu erfüllen hatten (und auch heute noch erfüllen), gibt es heute ein Überangebot an Online-Informationsanbietern, die vorgeben, diesen Auftrag zu erbringen. Diese Entwicklung erschwert es zunehmend, Qualitätsjournalismus von unreflektierten, persönlichen Meinungsäußerungen zu unterscheiden.

Journalismus ist die Unterscheidung von wichtig und unwichtig, wahr und unwahr, Sinn und Unsinn.“ – Gerd Bacher.

Auch wenn im öffentlichen Diskurs Schlagwörter wie „voreingenommene Berichterstattung“, „Lügenpresse“ oder „Propaganda“ immer häufiger die Runde machen, kann eine demokratische Gesellschaft nicht ohne seriösen und kritischen Journalismus auskommen. Einzelne Interessensgruppen dürfen nicht die Deutungshoheit über die Ereignisse dieser Welt bekommen, indem sie zuerst etablierte Medienformate grundsätzlich diskreditieren, um in der Folge die eigene Weltanschauung in den Fokus der Aufmerksamkeit zu rücken. Doch die Beförderung von Einzelinteressen hat mit objektiver Berichterstattung oder gar einem Bildungs- oder Informationsauftrag nichts zu tun.

Bei aller Gefahr der Manipulation und Wirklichkeitsverzerrung, dürfen wir nicht vergessen, dass eine Gesellschaft sich nur durch den freien Meinungs- und Gedankenaustausch entwickeln und kontinuierlich Fortschritte machen kann. Und es gibt sie noch, jene Journalistinnen und Journalisten, die täglich in Krisengebieten ihr Leben riskieren, um uns mit objektiven Bildern und Berichten zu versorgen. Ihnen gebührt der Dank dafür, dass sie nicht vom Schreibtisch aus Meinungen verbreiten, sondern täglich für die Gesellschaft harte Fakten recherchieren. Oder wie es der französische Politiker Jean Jaurès einmal ausdrückte: „Mut ist, die Wahrheit zu suchen und sie zu verkünden.“

 

 

[1] Quelle: http://www.digitalnewsreport.org/