Anfang Februar erregte der Wahlkampf im Auftakt zu den Kärntner Landtagswahlen 2023 erneut grenzüberschreitend die Gemüter. Die Freiheitliche Jugend Kärntens warb mit dem Slogan „SPÖ abwählen, Slowenisierung Kärntens stoppen“ und wühlte damit nicht nur einen jahrzehntealten Konflikt neu auf, sondern begründete damit sogar eine diplomatische Intervention des slowenischen Außenministeriums. Die Wogen konnten schnell wieder geglättet werden. Die Reaktionen der österreichischen und Kärntner Regierungsspitzen, die sich klar von den Aussagen distanzierten, stellten Ljubljana zufrieden. Dennoch empörte die Aktion der FPÖ-Jugend die Öffentlichkeit und streute Salz in historische Wunden.
Als eine von sechs bestehenden autochthonen Volksgruppen in Österreich sind die Kärntner Slowen:innen eine anerkannte Minderheit und als solche im österreichischen Bundes-Verfassungsgesetz verankert. Somit wird der Schutz und die Förderung der sprachlichen und kulturellen Vielfalt, die sich durch die Volksgruppen ergeben, gewährleistet. Zudem wurden die Rechte der Kärntner Slowen:innen auch im österreichischen Staatsvertrag aus dem Jahr 1955 festgehalten. Artikel 7 des Staatsvertrags räumt den slowenischen und kroatischen Minderheiten in Österreich daher auch völkerrechtlich besondere Rechte ein. Dazu gehören das Recht auf Unterricht in der eigenen Sprache sowie die Verwendung dieser als Amtssprache in der Verwaltung. Darüber hinaus sind laut Artikel 7 aktive Bestrebungen, diese Rechte zu beschneiden, verboten.
Die Ursprünge der Kärntner Slowen:innen auf dem heutigen kärntnerischen Landesgebiet reichen bis in das 6. Jahrhundert zurück. Nach dem Zerfall des Römischen Reiches siedelten sich vorwiegend Slowen:innen im Alpen–Adria–Raum an und gründeten das Fürstentum Karantanien, das im Jahre 976 vom Herzogtum Kärnten abgelöst wird. 1335 kam die Region gemeinsam mit der Steiermark und Krain unter die Herrschaft der Habsburger, blieb aber bis zum 19. Jahrhundert zum Großteil slawisch. In der Landesverfassung von 1849 wurde auch die Gleichberechtigung der diversen in
Kärnten lebenden Völker niedergeschrieben. Bis zur Verbreitung nationalistischer Ideologien im 19. Jahrhundert verlief das Zusammenleben mit den deutschsprachigen Kärntner:innen auch weitestgehend problemlos. Danach standen die Kärntner Slowen:innen immer weiter einer Politik der Unterdrückung und Eindeutschung bis hin zu forcierter Assimilation entgegen.
Diese Entwicklung zeigt sich auch im Vergleich der Volkszählungen der Jahre 1880 und 2001: Innerhalb von etwas mehr als hundert Jahren schrumpfte die Anzahl der Kärntner Slowen:innen von circa 85.000 auf 13.000. Nach dem Ersten Weltkrieg und der Auflösung der Österreich-Ungarischen Monarchie wurden die Gebiete der Grenzregion aufgeteilt. Während ein großer Teil vorwiegend an Jugoslawien abgetreten wurde, blieben vier an Jugoslawien grenzende Gemeinden, in denen sowohl Slowenisch- wie auch Deutschsprachige wohnten, umstritten. Bei der Kärntner Volksabstimmung am 10. Oktober 1920 durften diese schließlich selbst entscheiden, innerhalb wessen Staatsgrenzen sie verbleiben wollten. 60% der Wählenden entschieden sich für Österreich. Die Hauptgründe waren neben wirtschaftlichen Motiven auch die Tatsache, dass den Slowen:innen von Österreich Minderheitenrechte zugesagt wurden. Bevor diese Rechte realisiert werden konnten, spitzte sich allerdings bald eine Atmosphäre faschistischen Gedankenguts und Agitation zu.
Die traumatische Zeit eines nationalsozialistischen Österreichs bedeutete für die Kärntner Slowen:innen intensive Repressalien. Diese reichten vom Verbot der slowenischen Sprache selbst im engsten Bereich des privaten Lebens bis hin zu systematischen Ermordungen in Konzentrationslagern sowie Massakern in zweisprachigen Ortgebieten. Doch auch der Widerstand der Partisanen, die gegen die NS-Diktatur kämpften, kennzeichnete diese Zeit. Die slowenischen Widerstandskämpfer:innen form-ierten den einzigen bewaffneten, kontinuierlichen und organisierten Widerstandskampf auf österreich-ischem Boden. Dieser war ausschlaggebend für den späteren Staatsvertrag und die Unabhängigkeit Österreichs. Die Alliierten stellten schon vor dem Ende des Krieges in der Moskauer Deklaration 1943 die Bedingungen für das Entstehen eines freien Österreichs. Eine der Bedingungen war, dass Österreich, dem eine Mitschuld am Krieg zufiel, einen Beitrag dazu leisten sollte, sich von der NS-Herrschaft zu befreien. Ein Beitrag, der durch die Partisanenkämpfe begründet wurde.
Die Spuren des Zweiten Weltkriegs sind auch Jahrzehnte später anhand von Gedenkplätzen und individueller Familiengeschichten, die sich wie ein roter Faden durch die kollektive Erinnerung der Grenzregionen ziehen und von Deportationen und Tragödien erzählen, spürbar. Die 1961 geborene Kärntner Slowenin Maja Haderlap aus Bad Eisenkappel – der südlichsten Gemeinde Österreichs – verarbeitet in ihrem autobiografischen Roman die Erfahrungen ihrer Kindheit und spiegelt darin das generationenübergreifende Trauma der NS-Zeit wider: Verwandte, die im Krieg ermordet wurden oder traumatisiert zurückkamen, sowie Kinder, die unter der unverarbeiteten Belastung der Eltern litten. Im Jahr 2011 gewann sie den Ingeborg-Bachmann-Preis für ihr Buch Engel des Vergessens.
In den 1970ern wurden unter Bundeskanzler Bruno Kreisky die Minderheitenrechte der Kärntner Slowen:innen in der Verfassung verankert und in zweisprachigen Gebieten Ortstafeln in beiden Sprachen aufgestellt. Kurz darauf kam es zwar noch zu Konflikten – dem „Ortstafelsturm“ – und nächtlichen Aktionen, in denen zweisprachige Ortstafeln beschmiert, beschädigt oder sogar abmontiert wurden. Mit der Zeit beruhigten sich die Fronten jedoch einigermaßen und die betroffenen Regionen wurden wie geplant sukzessive zweisprachig benannt. 2006 wurde das Thema abermals politisiert, als der damalige Landeshauptmann Jörg Haider Ortstafeln mit deutschen und slowenischen, topographischen Indikationen wieder in lediglich deutsche umwandeln ließ. Der ehemalige Vorsitzende der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) hat damit nicht nur gegen die österreichische Bundesverfassung verstoßen, sondern auch einen beiseite gelegten Streit erneut aufgewärmt. 2011 einigte man sich schließlich im jahrzehntelangen Ortstafelstreit, woraufhin in Gebieten mit einem Anteil von zumindest 17,5% der slowenischen Volksgruppe zweisprachige Ortstafeln angebracht wurden. Diese 164 Orte samt dem ihnen eingeräumten Recht auf bilinguale Ortsbezeichnungen sind namentlich in der Verfassung festgeschrieben.
Ein schneller Faktencheck zeigt also, dass eine von der Freiheitlichen Jugend befürchtete „Slowenisierung Kärntens“ sowohl historisch als auch zahlenmäßig schlichtweg falsch ist. Darüber hinaus sind die slowenischen Teile Österreichs rechtlich geschützt und tragen zur kulturellen Vielfalt bei. Die Causa rund um die populistischen Parolen der Freiheitlichen Jugend zeigt dennoch eindrucksvoll, wie schnell irrationale Ängste für einen Wahlkampf instrumentalisiert werden können, und wie wichtig ein adäquater Zugang zu Bildung und Aufklärung ist, um die Empfänglichkeit der Bürger:innen für reißerische Slogans zu reduzieren.
geschrieben von Carina Karničar; bearbeitet von Judith Bauer
Bildquelle: Wikimedia Commons, InuYasha/unslash, NSKS und Julia Drössler