Der österreichische Spielfilm „Eismayer“ von David Wagner thematisiert mit einer berührenden Liebesgeschichte zwischen dem Vizeleutnant Charles Eismayer und dem Rekruten Mario Falak veraltete Bilder von Männlichkeit. „Eismayer“ wurde im Rahmen der Internationalen Woche der Filmkritik in Venedig 2022 als bester Spielfilm ausgezeichnet und kam am 28. Oktober in die österreichischen Kinos.

Mit Drehorten in Wien, der Steiermark, Niederösterreich und Salzburg bietet der Film den Zuseher:innen sowohl authentische Stationen des heimischen Bundesheeres als auch sehenswerte Bühnenbilder. Die Hauptdarsteller Luka Dimic (Mario Falak) und Gerhard Liebmann (Charles Eismayer) verkörpern ihre Charaktere glaubwürdig und sympathisch. Letzterer eventuell zu sympathisch, wenn man den Geschichten, die über den wahren Eismayer kursieren, Gehör schenkt.

Er soll eine Kuh mit einer Panzerfaust in die Luft gejagt haben und einen Rekruten unter eiskaltem Wasser so lange Liegestütze machen lassen, bis dieser zusammenbrach und in weiterer Folge starb. Das mit der Kuh gibt Charles Eismayer sogar in einem Interview zu. Der Rekrut unter der Dusche soll sich nur „angespieben“ haben. Dennoch hält sich die Geschichte hartnäckig als geläufige Erzählung unter Rekruten sowie Veteranen des österreichischen Bundesheeres und wird auch in David Wagners Film instrumentalisiert, um den Charakter Eismayers vorzustellen.

Der Vize-Leutnant ist unter den jungen Soldaten als „Schleifer“ bekannt und berüchtigt für seine beinharte Handhabe. Schon bald kommt der Grund seiner harten Schale zum Vorschein: Er ist schwul. In der rigiden Befehlsstruktur des Bundesheeres hat er einen Weg gefunden zu funktionieren, seine Selbstverleugnung zu kompensieren und sein Geheimnis durch übertriebene, toxische Männlichkeit zu verbergen.

Sein Familienleben hebt den Kontrast zwischen seiner gelebten Realität in der Kaserne und seiner wahren Persönlichkeit hervor. Die einzige Frau im Film, Eismayers Ehefrau Christina, ist gezeichnet von Enttäuschung und sein Sohn bleibt von den Befehlen des Vaters großteils unbeeindruckt. Doch die Ankunft des neuen Rekruten Mario Falak bringt seine langjährig aufrecht erhaltene Fassade langsam ins Wanken. Der junge Mann lässt sich durch Eismayers Geschrei nicht einschüchtern und hat keine Scheu davor, im seinerzeit noch offen rassistischen und homophoben Umfeld des Bundesheeres seine Homosexualität zu zeigen. Seine Art und Weise Respekt einzufordern, ohne sich selbst zu verstecken, imponiert nicht nur dem Publikum, sondern auch seinem Ausbildner.

Anfangs noch „Rekrut Tschusch“ genannt, bringt er bald das eiserne Herz Eismayers zum Schmelzen. Die beiden kommen sich näher und gehen eine geheime Liebesbeziehung ein, nachdem sich Eismayer vor seiner Frau outet. Der freche Rekrut mit Migrationshintergrund steht seinem früheren Ausbildner zur Seite, als dieser an Krebs erkrankt und macht ihm nach einiger Zeit am Riesenrad im Wiener Prater einen Antrag. Um sein Ansehen besorgt, lehnt dieser ab und fragt zynisch, ob sie ihre Flitterwochen in Dubai „mit anschließender Steinigung“ verbringen würden. Schlussendlich schafft es Eismayer, über seinen eigenen Schatten zu springen, outet sich vor versammelter Truppe und gibt in einer herzzerreißenden Szene Falak das Ja-Wort. Der tyrannische „Diktator“ wird zum liebenswürdigen Partner.

Die von Gerhard Liebmann verwendete Sprache sowie die heutzutage unfreiwillig komisch wirkenden Befehle des Bundesheeres bringen Kinosälen zum Lachen und Humor in die Szenen. Doch wird sie in Wahrheit für die zahlreichen Rekruten, die heute noch mit Wut und Trauma von Eismayer erzählen, nicht so lustig gewesen sein. Die umstrittenen Ereignisse, die Substanz um die Legenden Eismayers liefern, werden verharmlost. Einerseits werden durch berührende Szenen veraltete Stereotypen aufgebrochen und das Leiden einer Person unter einem forcierten Männlichkeitsbild thematisiert. Andererseits wird die Figur Eismayer in seiner unvollkommenen Form, in welcher wir uns alle nach Anerkennung und Akzeptanz sehnen, sympathisch gemacht und durch sein als progressiv wahrgenommenes Coming-Out glorifiziert. Die Misshandlungen, die Rekruten durch die Hand Eismayers widerfahren haben und zu seinem Ruf als strengster und gefürchtetster Ausbildner des österreichischen Bundesheeres beigetragen haben, werden scheinbar entschuldigt.

Nicht ohne Grund war Regisseur und Drehbuchautor David Wagner vor der Viennale besonders nervös. Während internationale Kritiken herausragend positiv ausfielen, dürften die Meinungen des österreichischen Publikums durch Erinnerungen und Erzählungen nicht grundlos befangen sein. Die Kommentare unter Trailern auf YouTube oder diversen Zeitungsbeiträgen zeigen jedenfalls die kritische Haltung der Österreicher:innen. Das Bundesheer selbst betont in einem Statement zu „Eismayer“, dass sich die Zeiten und Herangehensweisen im Heer geändert haben Nichtsdestotrotz fügt David Wagner mit seinem ersten Spielfilm der österreichischen Medienlandschaft ein wertvolles Kunstwerk hinzu. Abgesehen vom Aufbrechen toxischer Männlichkeitsstrukturen beschäftigen sich die Handlungen im Film auch mit dem Ruf des österreichischen Bundesheeres selbst. Als Eismayer aufgrund einer Beschwerde abermals im Büro seines Vorgesetzten landet, macht dieser ihn und seine Ausbildungsart dafür verantwortlich, warum das Bundesheer keine jungen Rekruten mehr findet. Im Film wird nicht nur die Kameradschaft des Heeres positiv dargestellt, sondern auch die Freude des jungen Mario Falaks in Szene gesetzt, als dieser zum Studium auf der Militärakademie in Wiener Neustadt aufgenommen wird.

Ob „Eismayer“ nachhaltig etwas am universell schlechten Ruf des Bundesheeres ändern kann, sei dahingestellt. Charles und Mario, die inzwischen beide den Doppelnamen Falak-Eismayer tragen, wurden 2014 in der Maria-Theresien-Kaserne verpartnert und befinden sich beide noch im Dienst.

Written by Carina Karnicar; Edited by Dorothea Newerkla

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